Euro-Länder geben Griechenland eine dritte Chance

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Reuters
Eine Pleite Griechenlands scheint im letzten Moment abgewendet.
Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone einigten sich am Montag nach einer Marathonsitzung in Brüssel auf die Umrisse eines dritten Hilfspakets von 82 bis 86 Milliarden Euro. "Wir haben eine harte Schlacht geschlagen", sagte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras. Er muss den Reformkompromiss jetzt im Eiltempo durch das Parlament in Athen bringen, wo seine eigene Mehrheit wackelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, wie bisher sei die Unterstützung der Euro-Zone an strenge Auflagen geknüpft. Dazu gehören eine Renten- und Steuerreform sowie der Verkauf von Staatseigentum. Auch der Bundestag muss noch grünes Licht geben. Die SPD kritisierte Finanzminister Wolfgang Schäuble, der offen einen vorübergehenden Euro-Austritt ("Grexit") Griechenlands ins Gespräch gebracht hatte.
Der Einigung am Montagmorgen war ein 17-stündiges Gefeilsche um die Reformauflagen vorausgegangen. Seit 2010 hat Griechenland bereits fast 240 Milliarden Euro erhalten. Formal einigte sich der Gipfel darauf, Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm unter Ägide des Euro-Stabilisierungs-Fonds (ESM) zu beginnen. Dies wird allerdings einige Zeit dauern. Deshalb wollten die Euro-Finanzminister noch am Nachmittag über eine Brückenfinanzierung von insgesamt zwölf Milliarden Euro bis Mitte August beraten.
 
"Ich kann diese Aufnahme von Verhandlungen aus voller Überzeugung empfehlen", sagte Merkel: "Die Vorteile überwiegen die Nachteile eindeutig." So finde sich auch hier das bisherige Grundprinzip wieder, dass Solidarität der Euro-Zone und Reformen untrennbar verbunden seien: "Dies ist gelungen, obwohl in der letzten Zeit die wichtigste Währung, nämlich das Vertrauen, doch schwer erschüttert worden ist."
Mit der Einigung auf Detail-Verhandlungen ist Tsipras zufolge ein "Grexit" vom Tisch. "Wir haben vermieden, dass wir finanziell erdrosselt werden und unser Banksystem kollabiert." Auch sei es gelungen, eine Umstrukturierung der Schulden zu erreichen. Tsipras war angetreten, seinem Volk weitere Härten zu ersparen, und hatte sich dafür erst Anfang Juli in einem Referendum Rückhalt geholt. Dem Kompromiss-Papier zufolge musste er am Ende aber fast alle Forderungen aufgeben, um eine Pleite zu verhindern.
"Wir stehen vor schwierigen Entscheidungen", sagte Tsipras mit Blick auf die Parlamentsabstimmungen in Athen. Auf den linken Flügel seiner Syriza-Partei wird er sich wohl nicht stützen können, sondern voraussichtlich auf Stimmen aus der Opposition angewiesen sein. Arbeitsminister Panos Skourletis sagte bereits, die Bedingungen seien unannehmbar und Neuwahlen unvermeidbar.  
Der Kompromiss sieht vor, dass die Abgeordneten in Athen am Mittwoch eine Reform der Mehrwertsteuer und des Rentensystems beschließen – beides Knackpunkte für die Griechen. Außerdem müssen sie das Gipfelergebnis insgesamt anerkennen und in der kommenden Woche weitere Gesetze beschließen, darunter die EU-Richtlinie zur Rekapitalisierung von Banken. Dies ist notwendig, weil die Geldhäuser des Landes unter der Krise erheblich gelitten haben. Sie sollen Merkel zufolge mit 25 Milliarden Euro rekapitalisiert und anschließend über einen Privatisierungsfonds verkauft werden.
 
Insgesamt soll der Privatisierungsfonds einen Umfang von 50 Milliarden Euro haben, 12,5 Milliarden davon soll die Regierung für Investitionen einsetzen können. Mit weiteren 12,5 Milliarden Euro sollen Schulden gesenkt werden. Zum Verkauf vorgesehen ist unter anderem der Energieversorger ADMIE. Teil des noch zu verhandelnden Programms können auch bessere Konditionen bei der Laufzeit der Altkredite sein. Einen nominalen Schuldenerlass soll es allerdings nicht geben.
Bisher hält die Europäische Zentralbank (EZB) die Institute am Leben. Einem Insider zufolge bleiben die Notfall-Hilfen auf dem aktuellen Stand von fast 90 Milliarden Euro. An den Aktienmärkten sorgte der Hellas-Kompromiss insgesamt für gute Stimmung. Der Dax legte in Frankfurt 1,2 Prozent zu.
Der Bundestag muss Verhandlungen über ein ESM-Programm in einer Sondersitzung zustimmen. Mit der Mehrheit der Abgeordneten von Union und SPD sowie den Grünen scheint eine Mehrheit sicher. Allerdings rumort es in der Union. Merkel sagte aber, sie erwäge keine Vertrauensfrage, um die Reihen zu schließen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach von einem guten Ergebnis des Euro-Treffens. SPD-Spitzenpolitiker kritisierten jedoch die Rolle Schäubles, der einen Euro-Ausstieg des Landes für einige Jahre ins Gespräch gebracht hatte, falls die Verhandlungen scheitern. Schäuble habe schon seit Monaten eine "Lösung ohne Griechenland gesucht", kritisierte Fraktionsvize Axel Schäfer. Nach den Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert war die "Grexit"-Variante, der Athen hätte zustimmen müssen, mit Merkel abgestimmt; eine Sprecherin Gabriels sagte, mit dem Vize-Kanzler aber nicht.
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