Knappes Ergebnis bei Hellas-Referendum erwartet

0
471
Reuters
Vor dem mit Spannung erwarteten Referendum in Griechenland halten sich Gegner und Befürworter des Reformkurses nahezu die Waage. In einer am Freitag von der Zeitung "Ethnos" veröffentlichen Umfrage gaben 44,8 Prozent an, am Sonntag mit "Ja" zu stimmen, 43,4 Prozent wollen die jüngsten Vorschläge der Geldgeber ablehnen. Der Rest hadert noch mit der Entscheidung, die Griechenland aus dem Euro kippen oder die Regierung zum Rücktritt treiben könnte. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem wies die Darstellung Athens zurück, dass ein Kompromiss nahe sei. Für die Griechen dürfte der Nervenkrieg damit weitergehen.
Das Referendum ist ein Kuriosum, weil die Griechen über die letzten Gläubiger-Vorschläge zur Beendigung des zweiten Hellas-Hilfsprogramms und damit die Auszahlung weiterer Hilfsmilliarden daraus abstimmen. Das Programm war jedoch Ende Juni ausgelaufen – formell liegen die Vorschläge gar nicht mehr auf dem Tisch. Politisch geht es darum, ob Ministerpräsident Alexis Tsipras für seinen Verhandlungskurs noch Rückhalt hat. Die Regierung wirbt für ein "Nein", Tsipras hatte bei einem "Ja" seinen Rücktritt angedeutet. Finanzminister Yanis Varoufakis war deutlicher: Er würde sich eher "den rechten Arm abhacken lassen", als einem Programm zuzustimmen, das keine Umschuldung enthalte. Die Geldgeber lehnen Schuldenerleichterungen als Alternative zu Strukturreformen ab. Dijsselbloem stellte bei einem "Nein" zudem die Euro-Mitgliedschaft des Landes in Frage.
Wegen der Krise sind die griechischen Banken größtenteils geschlossen, Hamsterkäufe und Kriminalität nehmen zu. Der "Ethnos"-Umfrage zufolge wollen fast drei Viertel der Griechen den Euro behalten, nur 15 Prozent sind für einen "Grexit" aus der Währungsgemeinschaft. In Athen waren erneut Kundgebungen von Gegnern und Befürwortern geplant. Für Aufregung sorgte außerdem eine noch am Freitag erwartete Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts über eine Klage gegen das Referendum. Die Kritiker monieren den knappen Zeitraum zur Vorbereitung und eine unklare und zu komplexe Fragestellung.
Die anderen Euro-Staaten wollen den Gesprächsfaden erst nach dem Referendum wieder aufnehmen. "Wenn die Griechen mit \’Nein\’ stimmen, wird sich die griechische Position dramatisch verschlechtern", warnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: "Selbst im Falle eines \’Ja\’-Votums wird es schwierige Verhandlungen geben." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte "Bild", über ein neues Programm würde auf völlig neuer Grundlage und unter erschwerten wirtschaftlichen Voraussetzungen gesprochen. Der Vorschlag, über den die Griechen am Sonntag abstimmten, liege nicht mehr auf dem Tisch.
Tsipras und Varoufakis hatten sich dagegen überzeugt gezeigt, dass eine Vereinbarung mit den Gläubigern nach dem Referendum binnen Tagen zustande kommen werde. Dijsselbloem nannte diese Darstellung "komplett falsch". Unabhängig vom Ausgang der Volksbefragung am Sonntag stehe Griechenland eine "extrem schwierige" Zukunft bevor. Schäuble-Sprecher Martin Jäger verwies auf die langwierigen Verfahren zum Abschluss einer neuen Hilfsvereinbarung unter Ägide des Euro-Stabilisierungsmechanismus ESM. In der Vergangenheit waren stets mehrere Wochen vergangen, bis ein ESM-Programm starten konnte.
Die griechische Regierung wertete es als Bestätigung ihres Kurses, dass der IWF davon ausgeht, dass das Land bei einer weiteren Verschlechterung der Wirtschaftlage eine Verlängerung der Kredite und einen Schuldenschnitt benötige. Wegen der Abweichungen vom Reformkurs werde das Land bis 2018 etwa 50 Milliarden Euro zusätzlichen Finanzbedarf haben, so der Internationale Währungsfonds. Griechenland steht mit 320 Milliarden Euro oder fast 180 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftskraft in der Kreide. Allerdings werden die Kredite der Euro-Partner erst ab 2020 zur Tilgung fällig. Den anderen Euro-Ländern zufolge wäre ein Schuldenerlass keineswegs zwingend, wenn Strukturreformen angepackt würden, um den Etat zu sanieren und das Wachstum langfristig anzukurbeln.
Seit dem Auslaufen des Hilfsprogramms am Dienstag steht das seit 2010 vom freien Kapitalmarkt abgeschnittene Land ohne externe Geldquellen da. Nur mit Hilfe der EZB werden die Banken noch am Leben gehalten. Die EZB will nach dem Referendum beraten, on sie weitere Nothilfen an die Geldhäuser billigt. Insidern zufolge liegt der Gesamtrahmen für die Nothilfen bei rund 89 Milliarden Euro; ohne sie würden die Banken kollabieren.
Am Dienstag hatte die Regierung in Athen außerdem eine Rückzahlung von 1,6 Milliarden Euro an den IWF versäumt. Der provisorische Euro-Rettungsschirm EFSF, über den das zweite Hellas-Hilfsprogramm abgewickelt worden war, erklärte deshalb, er behalte sich vor, alle seine Kredite fällig zu stellen. Aus dem EFSF waren 130,9 Milliarden Euro nach Athen gepumpt worden.
REUTERS
[do_widget_area inner_adsbar]

Comments are closed.