Griechen und Gläubiger verhaken sich im Schuldenstreit
Reuters
Vor dem wohl entscheidenden Akt im griechischen Schuldendrama steht eine Einigung im Reformstreit mit der Euro-Zone auf der Kippe.
Aus der Regierung in Athen hieß es am Mittwoch, einige Gläubiger hätten die jüngsten Vorschläge aus Athen nicht akzeptiert. EU-Vertreter sagten, bei den Verhandlungen habe es bisher keine großen Fortschritte gegeben. Hauptstreitpunkte bleiben die Mehrwertsteuer, das Rentensystem und die Unternehmensbesteuerung. Am Mittag wurde Regierungschef Alexis Tsipras zu einem Spitzengespräch mit dem IWF, der EU-Kommission und der EZB in Brüssel erwartet, die für die Gläubiger über die Auflagen für die weitere Hilfen verhandeln. Am Abend wollten die Euro-Finanzminister einen neuen Anlauf zur Krisen-Lösung nehmen.
Nachdem auf einem Euro-Sondergipfel am Montag der Fahrplan festgelegt wurde, wollten die Geldgeber die neuen Vorschläge aus Athen bis Mittwochabend durchrechnen und bewerten. Ein griechischer Regierungssprecher zitierte Tsipras mit scharfer Kritik an "bestimmten" Gläubigern. Diese hätten die griechischen Vorschläge abgelehnt. Auf welche der drei Institutionen – EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) – sich Tsipras damit bezog, blieb unklar. EU-Vertreter hatten am Dienstag bemängelt, dass der IWF nicht die erwarteten Vertreter in die Verhandlungen geschickt hätte.
Dem Regierungsvertreter zufolge sprach Tsipras von einem beispiellosen Vorgang. Ähnliches habe es in den Verhandlungen mit Irland und Portugal nicht gegeben. "Diese befremdliche Haltung kann nur eines von beiden bedeuten: Entweder wollen sie keine Einigung – oder sie dienen speziellen Interessen in Griechenland", wurde Tsipras zitiert. Eine Einigung drängt, weil das Hilfsprogramm am 30. Juni endet und damit der Anspruch auf weitere Überweisungen von bis zu 18 Milliarden Euro. Kommt kein Deal zustande, schlittert das Land absehbar in eine Pleite.
Skeptische Töne kamen auch von der anderen Seite des Verhandlungstischs. Die Hauptstreitpunkte seien ungelöst, sagten mit den Gesprächen vertraute EU-Vertreter. Am Dienstag habe es keine großen Fortschritte gegeben. Am Mittag wollte Tsipras mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, IWF-Chefin Christine Lagarde, EZB-Präsident Mario Draghi, Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und dem Chef des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling, zusammentreffen. Eine Einigung in diesem Kreis wäre die Basis für die anschließenden Beratungen der Euro-Finanzminister.
Am Donnerstag und Freitag tagt auch ein EU-Gipfel. Die EU-Vertreter sagten, die Regierungschefs der Euro-Zone wollten dort nicht über Griechenland verhandeln. Sie würden eine Einigung ihrer Finanzminister begrüßen, auch wenn das bedeute, dass deren Gespräche von Mittwoch bis Donnerstag die Nacht über dauerten.
Die griechischen Reformvorschläge waren zunächst auf ein positives Echo der Gläubiger gestoßen. Sie sehen Reformmaßnahmen in diesem Jahr im Volumen von 2,69 Milliarden Euro und 2016 von 5,2 Milliarden Euro vor. So sollen Frühverrentungen von 2016 bis 2025 schrittweise abgebaut werden. Die Zuschläge für Bezieher kleiner Renten sollten erhalten, ab 2020 aber durch ein neues System ersetzt werden. Bei der Mehrwertsteuerreform sind die Ausnahmen vom Regelsatz von 23 Prozent bisher noch umstritten.
Außerdem beharrt die Regierung auf Schuldenerleichterungen. Das Land sitzt auf einem Schuldenberg von 320 Milliarden Euro, was nahezu 180 Prozent des BIP und damit dem Dreifachen der EU-Zielmarke von 60 Prozent entspricht. Die Kredite der Euro-Partner wurden allerdings bereits auf die lange Bank geschoben. So beginnt die Rückzahlung der Darlehen des Euro-Rettungsfonds EFSF erst im Jahr 2023. Ein Schuldenerlass würde Athen also akut keine Entlastung bringen, die Etats der Geldgeber aber stark belasten. Deutschland allein bürgt für 50 Milliarden Euro.
Die IWF-Kredite müssen dagegen jetzt schon getilgt werden. Bis Dienstag ist eine Rückzahlung von 1,6 Milliarden Euro fällig – fraglich ist, ob dafür noch Geld in den Kassen ist. "Voraussetzung für jegliche Vereinbarung ist, dass sie mit einer klaren Verpflichtung auf eine Schuldenerleichterung verbunden ist", sagt die Abgeordnete der Partei "Unabhängigen Griechen", Marina Chrissoveloni, die mit Tsipras\’ Syriza zusammenarbeitet.
Der drohende Rückschlag in den Verhandlungen machte die Anleger an den europäischen Börsen nervös. Der Dax und EuroStoxx50 weiteten ihre Verluste aus und notierten zeitweise rund 1,5 Prozent im Minus. Der Athener Leitindex rutschte um bis zu 4,4 Prozent ab. Auch den deutschen Firmenchefs schlägt die Krise aufs Gemüt: Der Ifo-Konjunturindex brach im Juni unerwartet deutlich ein. "Die Griechenland-Krise schlägt sich zwar noch nicht in den Auftragsbüchern nieder, verunsichert aber", erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe den Rückgang des wichtigsten Konjunkturbarometers
REUTERS
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